September 19, 2024

Außerklinische Beatmung (Heimbeatmung)

Außerklinische Beatmung (Heimbeatmung)


Autor:
IHM Experten-Team
Intensivpflege-Team bei IHM
Inhaltsverzeichnis

Von außerklinischer Beatmung wird gesprochen, wenn mechanische Atemhilfen vorübergehend oder dauerhaft unter häuslichen Bedingungen oder in Pflegeeinrichtungen verwendet werden. Die Beatmung erfolgt durch die umgebende Raumluft, wobei der zusätzliche Einsatz von Sauerstoff nur in speziellen Fällen erforderlich ist. Heutzutage werden in der Regel mechanische Atemhilfen eingesetzt, die als Überdruckbeatmungsgeräte bezeichnet werden. Die Beatmung kann entweder nicht-invasiv erfolgen, beispielsweise über eine Nasen- oder Mundmaske oder ein Mundstück, oder invasiv über einen Luftröhrenschnitt (Tracheostoma).

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Ziel der Beatmung

  • Das Ziel besteht darin, die Lebensqualität des von ALS Betroffenen zu steigern und ihm die Möglichkeit zu geben, sein Leben weiterhin bewusst und aktiv zu gestalten.
  • Das Ziel besteht darin, die Atmungsfunktion zu verbessern, den allgemeinen körperlichen Zustand zu stärken und eine gewünschte Verlängerung des Lebens herbeizuführen.
  • Die Reduktion der sekundären Auswirkungen von Atemschwäche.

Wie erfolgt die Feststellung der Notwendigkeit einer Beatmung durch den Arzt?

Die Diagnosestellung und die Entscheidung zur Beatmungstherapie werden in einem spezialisierten medizinischen Zentrum mit entsprechender technischer Ausstattung getroffen. In Deutschland erfolgt dies anhand von Kriterien, die in einer Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) e.V. festgelegt sind. Diese Leitlinie wird in Zusammenarbeit mit anderen relevanten Fachgesellschaften, insbesondere der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., veröffentlicht und regelmäßig überarbeitet.

Zusätzlich zu den subjektiven Symptomen müssen auch objektive medizinische Befunde berücksichtigt werden. Dabei spielen die Lungenfunktionsprüfung, die Blutgasanalyse und die kontinuierliche Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts im Blut (nächtliches Monitoring) eine entscheidende Rolle. 

Lungenfunktionsprüfung (Spirometrie)

Eine der unkompliziertesten und weit verbreitetsten Methoden ist die Lungenfunktionsprüfung, auch bekannt als Spirometrie. Bei dieser Untersuchung werden unter anderem die Lungenvolumina analysiert. Diese können aufgrund von Muskelschwäche verringert sein. In spezialisierten Zentren ist es zudem möglich, die Atemmuskulatur zu testen. Ein bedeutender Messwert ist die Vitalkapazität (VC), welche angibt, wie viel Luft maximal während des Atmungsprozesses ein- und ausgeatmet werden kann. Häufig ist die Vitalkapazität im Sitzen nur leicht reduziert, im Liegen hingegen deutlich vermindert. Wenn die Vitalkapazität unter 70 % liegt, wird empfohlen, eine Untersuchung im Schlaflabor (Polysomnografie) durchzuführen, um nächtliche schlafbezogene Atemstörungen zu identifizieren.

Blutgasanalyse

Eine Blutgasanalyse dient der Überprüfung, ob der Körper ausreichend Sauerstoff aufnehmen kann und ob genügend verbrauchte Luft (Kohlendioxid) abgeatmet wird. Es empfiehlt sich, Blutgasanalysen sowohl tagsüber als auch nachts durchzuführen, da eine unzureichende Atmung während des Schlafs signifikant verstärkt werden kann. Der normale Kohlendioxidgehalt im arteriellen Blut (pCO2) liegt zwischen 38 und 42 mmHg. Steigt dieser Wert über 45 mmHg an, so ist eine umgehende stationäre Diagnostik und gegebenenfalls die Einleitung einer Maskenbeatmung erforderlich. Besonders bei Patienten mit Bulbärparalyse ist es von großer Bedeutung, frühzeitig eine Atemstörung zu erkennen. Bei ersten Anzeichen von Abweichungen in den Messergebnissen sollte unverzüglich mit einer Maskenbeatmung begonnen werden.

Nächtliche kontinuierliche Messung des Sauerstoff­s und Kohlendioxidgehaltes im Blut

Die Messung wird in der Regel im Krankenhaus durchgeführt. Ein Anstieg des transkutan gemessenen Kohlendioxidgehalts im Kapillarblut (tcCO2) über 50 mmHg deutet auf eine Atemmuskelschwäche hin und macht eine mechanische Atemunterstützung erforderlich. Eine Untersuchung im Schlaflabor (Polysomnografie) ist nur bei unklaren Schlafstörungen angebracht.

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Leitsymptome und Begleitsymptome des "Neuromuskulären Hypoventilations-Syndroms"

Bei Vorliegen einer bestätigten neuromuskulären Erkrankung und dem Nachweis von mehr als zwei Leitsymptomen ist es äußerst wahrscheinlich, dass eine klinisch relevante Schwäche der Atemmuskulatur vorliegt.

  • Hauptbeschwerden: Paradoxe Bauchatmung, Orthopnoe mit Verwendung der Atemhilfsmuskulatur, verkürzte Sprechdauer, Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen mit nächtlicher Atemnot, reduzierte Hustenintensität.
  • Zusätzliche Symptome: Kopfschmerzen am Morgen, allgemeine Erschöpfung, Schwierigkeiten bei der Konzentration, Schwindelgefühle, Veränderungen der Stimme, Depressionen, Schwellungen, unzureichende Funktion des rechten Herzens, Herzrhythmusstörungen und Angstzustände.

Medizinische Herangehensweise zur Diagnose und Therapie von Atemstörungen bei ALS

Die Entscheidung zur nächtlichen Beatmung wird heutzutage oft großzügig getroffen: Sobald bei nächtlichen Messungen Phasen einer schlafbezogenen Flachatmung (REM-Schlaf-assoziierte Hypoventilation) oder Weckreaktionen (Arousals) nachgewiesen werden können, die zu Tagesmüdigkeit, Atemnot oder Kopfschmerzen führen, kann die nächtliche nicht-invasive Beatmung (NIV) dazu beitragen, die Wachheit und Leistungsfähigkeit tagsüber zu verbessern und in vielen Fällen auch die Lebensqualität zu steigern.

Wenn der Patient grundsätzlich positiv gegenüber einer Beatmung eingestellt ist oder noch keine Entscheidung getroffen hat, sollten Atmung und Lungenfunktion alle drei Monate gemäß dem im Diagramm vorgegebenen Schema überprüft werden. Andere behandelbare Ursachen für Atemstörungen (z.B. Herzinsuffizienz, nasale oder bronchiale Engpässe) müssen angemessen behandelt werden. Bei einem schnell fortschreitenden Verlauf oder bei bulbärer ALS sollte frühzeitig mit der Maskenbeatmung begonnen werden.

Bei der Festlegung der medizinischen Indikation durch den Arzt ist es von großer Bedeutung, nach einer umfassenden Aufklärung auch den Willen und die Persönlichkeit des Patienten, seinen allgemeinen Gesundheitszustand, den sozialen Hintergrund sowie das Vorhandensein einer angemessenen pflegerischen und technischen Infrastruktur zu berücksichtigen.

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Mit welchen Effekten ist bei einer nicht-invasiven Maskenbeatmung zu rechnen?

Es existieren eine Vielzahl von Studien zur Anwendung der nicht-invasiven Beatmung (NIV) bei Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Die Resultate dieser Untersuchungen können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Die nicht-invasive Beatmung (NIV) kann in vielen Fällen dazu beitragen, eine schlafbezogene Atemstörung nachzuweisen und die Qualität des Schlafes zu verbessern.
  • Die Konzentrationsfähigkeit verbessert sich und die Tagesmüdigkeit nimmt ab.
  • Die Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit und Atemsituation verbessern sich tagsüber.
  • Schwere Infekte sind weniger häufig und die Atemmuskulatur hat die Möglichkeit, sich während der Nacht zu regenerieren.
  • Die Anwendung der nicht-invasiven Beatmung kann bei ALS-Patienten ohne Lähmung der Schlundmuskulatur (Bulbärparalyse) signifikant die Lebenserwartung verlängern.
  • Bei Patienten mit Bulbärparalyse aufgrund von ALS können positive Ergebnisse nur erzielt werden, wenn die Beatmung sehr frühzeitig eingeleitet wird.

Wann ist eine invasive Beatmung durch ein Tracheostoma angezeigt?

Eine langfristige Beatmung über ein Tracheostoma ist bei ALS-Patienten möglich. Unsere Beobachtungen haben gezeigt, dass bei tracheotomierten Patienten in der Regel innerhalb von 1-2 Jahren eine Lähmung der gesamten Willkürmuskulatur bei ALS Patienten auftritt, mit Ausnahme der Augenmuskeln und der sie umgebenden Muskulatur. Bei 10 - 30 % der Patienten geht nach mehr als 3 Jahren Beatmung auch die Fähigkeit zu zwinkern verloren. Es kommt gelegentlich zu unerwarteten Todesfällen, vermutlich aufgrund einer autonomen Dysregulation. Die Lebensqualität in dieser Situation wird von den Patienten sehr individuell wahrgenommen. Die Belastung der Angehörigen, die sich um die Pflege kümmern, ist in der Regel enorm. Oft zeigen sie sekundäre körperliche und psychische Reaktionen.

Anzeige für die Notwendigkeit einer nicht-invasiven Beatmung oder einer invasiven Beatmung

Nicht-invasive Beatmung (NIV)

  • Eine signifikante Erhöhung des CO2-Spiegels (Hyperkapnie) tagsüber kann zu Symptomen einer Atemfunktionsstörung führen, wie beispielsweise morgendliche Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Albträume.
  • Erhebliche nächtliche Hypoxie (Phasen der Hypoventilation von mehr als 5% der Schlafdauer)
  • Erhöhung des nächtlichen tcCO2-Werts auf über 50 mmHg.

Invasive Beatmung

Der Patient erfüllt die Kriterien für eine nicht-invasive Beatmung (NIV) und es liegen folgende Umstände vor:

  • Unzureichender Hustenreflex trotz Verwendung mechanischer Hilfsmittel zur Unterstützung des Hustens Schluckstörung (Dysphagie) mit wiederkehrenden Lungenentzündungen
  • Die Ineffizienz der nicht-invasiven Beatmung (NIV)
  • Erfordernis einer Beatmung für mehr als 16 Stunden pro Tag (als relative Indikation, da einige Patienten eine nicht-invasive Langzeitbeatmung tolerieren können).

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Aufklärung seitens des Arztes und Entscheidungen bezüglich der Beatmung (Patientenverfügung)

Die Entscheidung für eine außerklinische Beatmung erfordert eine umfassende Aufklärung der ALS-erkrankten Person und ihrer pflegenden Angehörigen über die Art und den Verlauf der Erkrankung, die Auswirkungen einer Beatmung sowie die Organisation und Finanzierung der erforderlichen Beatmungspflege. Im Rahmen des aufklärenden Gesprächs sollte betont werden, dass die Beatmung zwar nicht das Fortschreiten der Erkrankung stoppen kann, jedoch bei fortschreitender Atemschwäche eine deutliche Verbesserung oder Stabilisierung des Allgemeinbefindens bewirken kann. Eine frühzeitige Aufklärung, spätestens bei ersten subjektiven Symptomen, hilft, Entscheidungsdruck in Notfällen zu vermeiden und ermöglicht eine fundierte Entscheidung für die außerklinische Beatmung.

Eine Patientenverfügung sollte den Wunsch bezüglich Beatmung oder die Ablehnung einer Beatmung oder einer spezifischen Beatmungsform klar festlegen. Dabei werden Entscheidungen zu verschiedenen Behandlungsoptionen getroffen.

  • Möglichkeit 1: Maximaltherapie: Bei der Feststellung einer chronischen ventilatorischen Insuffizienz (CVI) und entsprechenden subjektiven Symptomen sollte frühzeitig mit der nicht-invasiven Beatmung (NIV) begonnen werden. Falls die NIV bei akutem Auftreten einer Ateminsuffizienz nicht wirksam ist, bevorzugt der Patient eine invasive Beatmung. Sollte die Entwöhnung vom Beatmungsgerät mittels Maskenbeatmung nicht gelingen, möchte der Patient die invasive Beatmung mittels Tracheotomie fortsetzen.
  • Möglichkeit 2: Obwohl die nicht-invasive Beatmungstherapie zur Behandlung von Ateminsuffizienz empfohlen wird, lehnt der Patient eine Intubation oder Tracheotomie ab.
  • Möglichkeit 3: Palliativtherapie und strikte Ablehnung jeglicher Form von Beatmung.

Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf, wenn Sie eine Pflegeberatung benötigen.

Zusätzliche Informationen

Die S2k-Leitlinie mit dem Titel "Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz", herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V., kann unter www.awmf.org heruntergeladen werden.

Die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. setzt sich für die Förderung der Forschung ein und organisiert jährlich einen interdisziplinären Kongress zu Themen der häuslichen Beatmung. Zudem bietet sie Fortbildungen für Ärzte, medizinisches Personal und Pflegefachkräfte an. Weitere Informationen sind auf der Website https://digab.de verfügbar.